Die Geschichte der BAG

Ein Referat von Herbert Hilkenbach anlässlich der Bundesarbeitstagung 1998 in Ludwigshafen zur Geschichte der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Lehrerinnen und Lehrer im Justizvollzug e.V. Veröffentlicht in Justizvollzug & Pädagogik, Pfaffenweiler 1999, 2. Aufl. Herbolzheim 2001, S. 17 - 24.

Der Vorstand hat mich gebeten, Rückblick zu halten auf die Zeit der Gründung der Bundes­arbeits­gemein­schaft und ihre Entwicklung in den letzten 40 Jahren. Das will ich gern in kurzer Form tun, zumal sich meine aktive Tätigkeit im Vollzug von 1957 bis 1997 nahezu deckt mit der Zeit des Bestehens der BAG, deren 1. Vorsitzender ich 24 Jahre von 1970 bis 1994 war.

Nun will ich nicht - und sollte ich wohl auch nicht - Ihnen hier meinen Lebens­lauf aufzeigen, aber es könnte ganz nützlich und vielleicht auch interessant sein, in Erinnerung zu rufen bzw. zu erfahren, wie die Situation sich für die Lehrer im Straf­vollzug damals darstellte. Zunächst ist festzuhalten, dass zum Gründungs­zeitpunkt im ganzen Bundes­gebiet lediglich 78 Lehrer haupt­amtlich im Vollzug tätig waren, und zwar überwiegend im Jugend­vollzug. In den Ländern Berlin, Bremen und im Saarland gab es lediglich nur je einen Lehrer, in vielen Anstalten somit auch nur einen bzw. keinen. Vielerorts waren die Lehrer ganz auf sich allein gestellt, hatten keinen Kontakt zu Kollegen in anderen Anstalten, schon gar nicht in anderen Bundes­ländern und wussten häufig nicht einmal von deren Existenz. Soweit ihnen nicht allgemein­pädagogische und insbesondere admini­strative Aufgaben übertragen waren, versuchten sie - je nach Neigung und eigenen Interessen - sich ihr Arbeits­gebiet selbst abzustecken und einen Wirkungs­kreis zu schaffen. Diese Situation wirkte sich im übrigen lange Jahre für die BAG sehr schwierig aus bei der Erstellung eines Berufs­bildes für den Lehrer im Straf­vollzug und führte immer wieder bei den jährlichen Bundes­tagungen zu langen und intensiven Diskus­sionen.

Manche Kollegen hatten sich, um den Reibereien mit anderen Diensten auszu­weichen, in eine Nische zurück­gezogen, widmeten sich ausschließlich der Gefangenen­bücherei oder besannen sich auf ihre Hobbies und zogen sich in den Freizeit­bereich zurück. Das entsprach im übrigen durchaus dem in der Dienst- und Vollzugs­ordnung fest­gelegten Aufgaben­bereich des Lehrers von 1961, die erst am 1. Januar 1977 durch das Straf­vollzugs­gesetz abgelöst wurde. Dort hieß es nämlich u. a. in der Nr. 27 neben dem Unterrichts­auftrag: „Er (der Lehrer) verwaltet in der Regel die Gefangenen­bücherei und wirkt bei der Persönlich­keits­forschung, beim Auf­stellen und Durch­führen des Voll­zugs­planes, bei den Leibes­übungen, der Freizeit­gestaltung und der Pflege der Musik und des Chor­gesanges mit. Außerdem hieß es in Nr. 126 DVollzO, der Unter­richt solle in der Regel in der Freizeit erteilt werden.

Auch im Jugend­vollzug spielte der Unter­richt nur am Rande des Voll­zuges eine Rolle. So wurde mir beim Eintritt in den Jugend­vollzug 1957 die Betreuung einer Erziehungs­gruppe übertragen in der Stärke von 150 Gefangenen, und samstags hatte ich sechs Stunden Unter­richt zu erteilen.

Die Teil­nahme war im übrigen Pflicht, und es erfolgte keine Auf­gliederung nach Alter, Wissens­stand oder Schul­abschluss. Die Klassen­stärke bewegte sich um 40 Gefangene. Der Klassen­raum, eine große Gemein­schafts­zelle, die zeit­weilig auch mit Gefangenen belegt war, wurde jeden Samstag ausgeräumt. Eine Tafel auf drei Beinen wurde hinein­gestellt. Die Gefangenen rückten mit ihren Hockern aus der Zelle an. Tische gab es nicht. Bei schrift­lichen Aufgaben knieten die Gefangenen vor ihren Hockern. Da Kugel­schreiber nicht im Besitz von Gefangenen sein durften - sie hätten für Täto­wierungen miss­braucht werden können -, wurden Blei­stifte ausgeteilt, die nach dem Unter­richt wieder einge­sammelt werden mussten. Das gleiche galt für das Papier. Außer einigen veralteten Landkarten gab es keinerlei Lehr- oder Lern­mittel. Eine einwöchige Information durch einen Verwaltungs­inspektor, der die Anstalt verließ, über die Organisa­tion der Anstalt und insbesondere über die Aufgaben eines Erziehungs­gruppen­leiters war die gesamte Einweisung.

So oder ähnlich erging es vielen Lehrern bei ihrer Ein­stellung. Fort­bildungs­tagungen gab es nur vereinzelt in dem ein oder anderen Bundes­land, die aber eher den Charakter von Dienst­besprechungen hatten.
Unter diesen Voraus­setzungen wurde bei manchem Lehrer der Wunsch immer stärker, Erfahrungen mit Kollegen austauschen zu können, pädago­gische Fragen zu besprechen und Anregun­gen für die eigene Arbeit zu bekommen. Es bedurfte nur eines besonderen Aus­lösers und der Initiative eines Einzelnen.
Vom 13.-15. März 1958 fand in Schwäbisch Hall eine Tagung der Vollzugs- und besonderen Voll­streckungs­leiter statt, an der auch die Lehrer von Schwäbisch Hall und je ein Lehrer aus Bayern, Hamburg, Hessen und dem Saarland teilnahmen. So ergab sich die Gelegen­heit, über die Probleme der Anstalts­lehrer zu diskutieren und die Frage des Zusammen­schlusses auf Bundes­ebene zu erörtern. Einstimmig wurde die Notwendig­keit bejaht und Ober­lehrer Alfons Besenfelder, Schwäbisch Hall, als Initiator der ersten Tagung beauftragt. Diese Gründungs­tagung fand am 22. und 23.Oktober 1958 in Butzbach statt, an der 19 Ober­lehrer aus sechs Bundes­ländern (BW, HE, HH, NDS, NRW) teil­nahmen.

Nach langer Diskussion über die Bezeich­nungen Ober­lehrer, Lehrer, Lehrkräfte oder Pädagogen einigte man sich schließlich auf die Namen­gebung „Arbeits­gemein­schaft der Ober­lehrer an Justiz­voll­zugs­anstalten in der Bundes­republik Deutschland e. V.“ Diese Ausein­ander­setzung wurde übrigens in den nächsten Jahren fort­gesetzt und führte im Mai 1971 auf der Tagung in Heilbronn bei der Über­arbeitung der Satzung zu der heutigen Bezeich­nung „Bundes­arbeits­gemeinschaft der Lehrer im Justiz­voll­zug e. V.“
Von den Kollegen, die an der konsti­tuierenden Sitzung teilnahmen bzw. die Satzung unter­schrieben sind noch zwei bei uns, nämlich der Kollege Karl Schüler und ich. Damit hatten sich die Lehrer als erster Fach­dienst auf Bundes­ebene zusammen­geschlossen.

In späteren Jahren folgten dann die Sozial­arbeiter, Anstalts­leiter und Psycho­logen. Zum 1. Vorsitzenden wurde Kollege Besenfelder gewählt, der diese Funktion zwölf Jahre bis 1970 innehatte. Für jedes Bundes­land wurde ein Vertrauens­mann bestellt, der Kontakt zum Bundes­vorstand halten sollte. Daraus bildete sich später der erweiterte Vorstand, der sich ab 1975 zunächst jährlich, dann in unregel­mäßigen Abständen einmal pro Jahr mit dem Vorstand zum Erfahrungs­austausch und zur Vorbereitung der Bundes­tagungen traf.

Schon auf der Gründungs­versammlung wurden einige Punkte festgelegt, die bis heute Bestand haben. So wurde beschlossen, alljährlich eine Arbeits­tagung in jeweils einem anderen Bundes­land durch­zuführen - und zwar in der Woche von Christi Himmelfahrt -, um die einzelnen Lehrer aus ihrer Isolation heraus­zuholen, sie mit den modernen Bestre­bungen des Erziehungs- bzw. Behandlungs­vollzuges bekannt und neuen wissen­schaft­lichen Erkennt­nissen vertraut zu machen und letztlich um Erfahrungen aus der Praxis auszu­tauschen. Diese Tagungen wurden in der Regel am Dienst­ort eines Lehrers ausgerichtet mit der Möglichkeit, die dortige Vollzugs­anstalt zu besichtigen. Die Referate wurden zunächst in der eigenen Zeitschrift „Straf­vollzug und Pädagogik“ veröf­fentlicht und ab 1975 in der „Zeit­schrift für Straf­vollzug und Straf­fälligen­hilfe“, die in Zusammen­arbeit mit der BAG von der Gesell­schaft für Fort­bildung der Straf­voll­zugs­bediensteten e. V. heraus­gegeben wird und in deren Schrif­tleitung wir vertreten sind.

Die Gründung der BAG wurde jedoch nicht überall begrüßt. Einige Ministerien und Verbände waren misstrauisch und befürch­teten, dass sich eine neue Interessen­gemeinschaft gebildet hätte, um berufs­ständische und Besoldungs­forderungen durch­zu­drücken. Diese abweisende Haltung wurde schon bei der Gründungs­tagung deutlich, als den Teil­nehmern vom zuständigen Ministerium die Genehmigung versagt wurde, die in der Nähe gelegene Jugend­strafanstalt zu besichtigen.

Dagegen äußerte sich der General­staats­anwalt desselben Landes in seinem Grußwort auf derselben Tagung sehr positiv. Er wünschte der BAG ein langes und segens­reiches Wirken und war erfreut über soviel ange­troffenen Idealismus. Er hatte auch keine Bedenken, den Besuch der örtlichen Vollzugs­anstalt zu genehmigen.

So unter­schied­lich die Meinungen Außen­stehender über den Zusammen­schluss der Lehrer waren, so verschieden waren auch die Anschauungen und Vorstellungen der einzelnen Lehrer über ihr Berufs­bild und ihren Auftrag in den Anstalten. Die unter­schied­lichen Auffas­sungen galt es demnach in den nächsten Jahren zu koordinieren, um in einer Sprache sprechen und nach außen geschlossen auftreten zu können. Nachdem zwölf Jahre auf den Bundes­tagungen über diese Fragen diskutiert worden war und auch von den Vollzugs­abteilungen der einzelnen Länder­justiz­ministerien keine Regelung der Aufgaben­gebiete zu erwarten war, gelang es schließlich 1971 auf der Bundes­tagung in Heilbronn erstmals, das Berufs­bild des Lehrers im Straf­vollzug zu erarbeiten und zu verab­schieden. Hierin wurden das Dienst­verhältnis und die Aufgaben­gebiete des Lehrers sowie seine notwendige Aus­bildung dargestellt.

Die Jahres­tagungen dienten - wie es die Satzung vorsieht - der Fort­bildung der Lehrer, und sie befassten sich mit der Entwicklung neuer Formen des Voll­zuges, wobei Wissen­schaft und Praxis in gleicher Weise ihre Bedeutung fanden. Immer wieder hat sich die BAG mit Fragen der Pädagogik auseinander­gesetzt, mit allgemeiner und beruflicher Bildung, mit musischer Bildung und Frei­zeit­gestaltung, mit der Methodik der Erwachsenen­bildung, der Mitarbeit der Gefangenen, dem sozialen Lernen und dabei praxisnah und realistisch neben der Erziehung und Behandlung die notwendige Sicherheit nicht außer acht gelassen. Immer konnten namhafte Referenten aus den Kreisen der Universi­täten und Hoch­schulen, der Politik und der Praxis gewonnen werden. Aber auch die Mitarbeit und die Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen waren gefragt und kamen in den Arbeits­gruppen, die seit 1981 modern „Workshops“ genannt wurden, auf zwanzig Tagungen zur Geltung.
Nach und nach wurden die Bundes­tagungen genutzt, um über die Grenzen der Bundes­republik hinaus Einblick in den Vollzug der Nachbar­länder zu gewinnen. Schon 1963, während der Tagung in Zweibrücken und Saarbrücken, erfolgte eine Besich­tigung der Jugend­straf­anstalt Dreiborn in Luxemburg. 1969 in Straubing referierte Dr. Sluga aus Wien über die Gruppen­behandlung im Straf­vollzug. 1972 informierte in Lübeck Fleming Skadhauge aus Kopenhagen über Unter­suchungen des Unter­richts im dänischen Straf­vollzug. 1977 in Vechta teilte er die Erfahrungen mit, die im dänischen Vollzug mit der Mitwirkung und Mitverant­wortung Gefangener gemacht waren, und Herr Besier vom niederlän­dischen Justiz­ministerium berichtete über die dortigen Fest­stellun­gen. 1983 in Saarlouis hieß das Tagungs­thema „Pädagogik im Straf­voll­zug - inter­national“, und neben den Referaten namhafter Vertreter des Vollzuges aus Frankreich, Luxemburg, Österreich und der Bundes­republik erfolgte auch der Besuch der Anstalt in Oermingen / Frankreich.

Am längsten und intensivsten und in vielen Fällen auch freund­schaftlich besteht jedoch der Kontakt zu Vertretern des österreich­ischen Straf­voll­zugs. Schon 1979 nahmen an der Tagung in Bernau der Sektions­leiter im Bundes­ministerium für Justiz, Wien, Herr Generalanwalt Dr. Mann und Herr Oberschulrat Bober teil und seit vielen Jahren Herr Ober­staats­anwalt Dr. Gödl und weitere Mit­arbeiter, die natürlich auch heute anwesend sind, d. h.: 20 Jahre Treue zur BAG und aktive Mit­arbeit auf den Jahres­tagungen. So bot es sich an, 1993 mit der Tagung unter dem Thema „Bildungsarbeit im Straf­vollzug - grenz­über­greifend“ der Ein­ladung nach Wels in Österreich zu folgen. Um diploma­tische Verwick­lungen zu vermeiden, möchte ich jedoch fest­stellen, dass diese Orts­wahl nicht getroffen wurde auf der Grund­lage des Beschlusses in der Gründungs­versammlung, jedes Jahr in ein anderes Bundes­land zu gehen. Wir hatten dort die Möglich­keit, neben dem eindrucks­vollen Besuch der Straf­voll­zugs­anstalt in Stein a. d. Donau durch Referate Ein­blicke zu erhalten in den österreich­ischen, ungarischen und slowa­kischen Straf­voll­zug. Allen Teil­nehmern wird diese Tagung unvergesslich sein.

Ein ganz besonderes Anliegen der BAG war es, Lehrerinnen und Lehrern, die neu in den Anstalts­dienst traten, in ihre Aufgaben einzuführen. Jahrelang versuchte die BAG vergeblich über die Ministerien, eine berufliche und spezifische Einführung der Kolleginnen und Kollegen in das ihnen völlig fremde Aufgaben­gebiet zu erreichen. Es scheiterte insbesondere daran, dass der Straf­vollzug Länder­sache und nicht Bundes­sache war und ist. Keiner war nämlich auf die pädagogischen Besonder­heiten und noch weniger auf die oft sehr hemmend wirkende Organi­sation in den Anstalten und die vorschriften­reiche Verwaltung vorbereitet. Der häufig einzige Lehrer in der Anstalt wurde nach seiner Ein­stellung besten­falls einige Wochen in einer anderen Anstalt durch den dortigen Kollegen mit dem Anstalts­leben vertraut gemacht. Dann wurde er auf seinem Arbeits­platz allein gelassen, den er sich nicht selten noch erst erarbeiten musste.

Im Jahre 1976 gelang es schließlich der BAG, beim Bundes­hilfswerk für Straf­fällige e. V. finanzielle Unter­stützung zu erreichen und im Tagungs­haus des Vereins, dem Ludwig-Clostermann-Haus in Bonn / Bad Godesberg, einwöchige Grund­seminare für diese im Vollzug jungen Lehrkräfte durch­zuführen. Diese Einführungs­lehrgänge wurden fast jedes Jahr abgehalten, nach Veräußerung des Clostermann-Hauses 1989 in der Familien­bildungs­stätte Ober­reifenberg. Die Gestaltung lag in den Händen einiger Mitglieder, namentlich den Kollegen Lang, Bode, Dr. Große-Boes, Bauer, Frau Braukmann und Frau Lange. Das Interesse war sehr groß, und bislang nahmen mehr als 300 junge Kolleginnen und Kollegen daran teil, wodurch die Notwendig­keit dieser Einrich­tung eindrucks­voll bestätigt wurde.
Nachdem die Einstellungs­quote bedauerns­werter­weise jedoch sehr gering geworden ist, wäre für die Zukunft evtl. zu überlegen, ob nicht inhaltlich anders konstruierte Seminare der Weiter­bildung angeboten und eingerichtet werden können, insbesondere für Kolleginnen und Kollegen, die in ihren Ländern aufgrund der geringen Lehrer­zahl keine differen­zierte Fort­bildung erfahren.

Vor 40 Jahren war die - wie ich meine positive - Entwick­lung der BAG nicht voraus­zu­sehen, insbeson­dere nicht, wenn man an die skeptischen bis ablehnenden Kommentare aus behörd­lichen und verbands­politischen Kreisen erinnert. Dazu möchte ich noch einmal aus dem Protokoll über das Grußwort eines Ministerial­dirigenten auf der Bundes­tagung 1960 zitieren: „Insbesondere wies er darauf hin, dass da und dort erhebliche Bedenken existierten, als sich die AG der Ober­lehrer konstitu­ierte. Es sei damals befürchtet worden, es wolle sich eine neue Form eines Verbandes bilden, der auf eine Interessen­gemein­schaft abziele, um berufs­ständische und Besoldungs­forderungen durch­zudrücken. An einem solchen Verband habe man kein Interesse gehabt. Darum hoffe er, dass daraus eine echte und wirkliche AG erwachse, dann könne auch mit staat­licher Hilfe gerechnet werden. Darüber würden aller­dings noch Jahre ins Land gehen, im Straf­voll­zug aber lebe man ja von Optimismus.“
Derselbe Referent äußerte sich damals auch über den Zweck des Straf­vollzugs mit folgender Aussage: „Die Begriffe »Schuld«, »Sühne«, »Abschreckung« dürfen nicht vom Begriff, »Erziehungs­vollzug« überdeckt werden. Sie sind vorrangig.“ So ist es auch nicht verwunder­lich, wenn von dem Lehrer in einer Aufnahme­abteilung erwartet wurde, dass er sich Gedanken darüber zu machen habe, wie lange die Isolierung von Mit­gefangenen zur Erzielung eines nach­haltigen Straf­eindrucks erfor­derlich sei.

Bei dieser Einstellung und Erwartung vom Vollzug reichte es jedoch nicht, nur Optimist zu sein. Es bedurfte vielmehr sachlicher und fach­kompetenter Überzeugungs­arbeit sowohl in der und durch die Gemein­schaft als auch durch Vorstand und Mitglieder in der Öffent­lichkeit und in anderen Organisa­tionen. So waren bei allen Tagungen die Medien, Justiz­ministerien sowie Vertreter der politischen Parteien aus den Ländern, den Städten und Behörden eingeladen und vertreten. Es wurden Kontakte aufgenommen zu anderen Verbänden der Straf­fälligen­hilfe, z. B. dem Bundes­zusammen­schluss für Straf­fälligen­hilfe, dem Bundes­hilfs­werk für Straf­fällige e. V. und der Deutschen Bewährungs­hilfe e. V. Durch Mitarbeit in deren Vorständen und verschiedenen Aus­schüssen wurde versucht, der Pädagogik im Straf­vollzug auch dort Gehör zu verschaffen und Einfluss durch die Verbände zu nehmen. So war der langjährige Schrift­leiter Kollege Schüler u. a. Mitglied im Fach­aus­schuss 1 für Straf­recht des BZ, der damalige Vorsitzende war Mitglied in den Aus­schüssen Öffentlich­keits­arbeit, Therapeu­tische Anstalten und im Reform­ausschuss Straf­vollzug.

Unter anderem durch die Veröffent­lichung der Protokolle und Referate von den Bundes­tagungen in der Zeit­schrift für Straf­vollzug und Straf­fälligen­hilfe wurden die Tagungen und die BAG selbst immer bekannter und wohl auch attraktiv für immer mehr Kolleginnen und Kollegen. So stieg die Zahl der Mitglieder mit dem Anwachsen der Lehrer­plan­stellen ständig an. Waren es, wie schon erwähnt, 1958 78 Lehr­kräfte im Straf­vollzug der Bundes­republik, von denen 19 an der Gründungs­versammlung teilnahmen, so waren es 1978 bei 240 Plan­stellen schon 196 Mitglieder, und 1994 erreichte die BAG den bisherigen Höchst­stand von 249 Mitgliedern, davon 10 aus den neuen Bundes­ländern. Entsprechend entwickelte sich auch die Zahl der Teilnehmer an den Bundes­arbeits­tagungen, die bis zu 130 anstieg.
Aber auch den behördlichen Stellen blieb das Wirken der BAG nicht verborgen und fand Beachtung bzw. Anerkennung. Die Aussagen der BAG zu Entwick­lungen im Straf­vollzug waren gefragt. So wurde der damalige Vorsitzende u. a. als Sach­ver­ständiger in der Straf­voll­zugs­kommission tätig, die einen Entwurf des Straf­voll­zugs­gesetzes erarbeitete.

1976 wurde der Vorsitzende durch den Bundes­minister der Justiz als ordent­liches Mitglied und einziger Pädagoge in die Jugend­stra­voll­zugs­kommission berufen, die ein Jugend­straf­voll­zugs­gesetz vorbereiten sollte. Der Schluss­bericht wurde 1979 vorgelegt. Bedauerns­werter­weise kam das Gesetz­gebungs­verfahren bislang über mehrere Referenten­entwürfe nicht hinaus.
Schon 1970 erfolgte die Berufung des Vorsitzenden durch den Senat der Pädago­gischen Hoch­schule Rheinland in die Projekt­gruppe Pädagogik, die sich mit der Erstellung des Berufs­bildes des Lehrers im Justiz­vollzug und der Planung eines gesonderten Studiums befasste.
Die Anerkennung des Wirkens der BAG fand u. a. auch Ausdruck in dem persönlichen Grußwort des Bundes­ministers der Justiz Dr. Engelhardt aus Anlass der Tagung zum 25. Jahres­tag der Gründung der BAG in Saarlouis 1983, in dem er der BAG bescheinigte, sie habe zum Selbst­verständnis der Lehrerinnen und Lehrer bei der Reform des Straf­vollzuges tatkräftig beigetragen.
Die BAG trat in unregel­mäßigen Zeit­abständen immer wieder mit besonderen Beiträgen an die Öffentlich­keit, die insbesondere auch den Justiz­ministerien, politischen Institutionen und Univer­sitäten zugingen. Das galt z. B. für das schon erwähnte 1970 erstmals erarbeitete Berufsbild für Lehrer im Justiz­vollzug. 1978 erschien die vom Gründungs­vorsitzenden Alfons Besenfelder verfasste Chronik: „Pädagogik im Strafvollzug —20 Jahre Bundes­arbeits­gemein­schaft der Lehrer im Justiz­vollzug“. Zum 30jährigen Bestehen gab die BAG ein Sonder­heft mit zwanzig auf den Bundes­tagungen gehaltenen Referaten zur Pädagogik im Straf­vollzug heraus. Schließlich erfolgte 1995 die Heraus­gabe der Schrift „Lehrerinnen und Lehrer im Justiz­vollzug - Beschrei­bung eines pädago­gischen Arbeits­feldes“.

Ich habe versucht, Ihnen in einem kurzen Rückblick darzustellen, wie aus der kleinen Zahl von 19 Kollegen, die sich 1958 in Butzbach trafen, um über die Möglich­keit einer bundes­weiten Vereinigung der Lehrer im Straf­vollzug zu beraten, schließlich die Bundes­arbeits­gemein­schaft der Lehrer im Justiz­vollzug e. V. entstand mit der - wie ich meine - stattlichen Zahl von heute nahezu 250 Mitgliedern. Die Lehrer waren, wie ich eingangs erwähnte, die ersten Bediensteten einer Fach­richtung, die sich bundesweit zusammen­geschlossen haben. Sie waren offenbar, wie sich das für Pädagogen ja auch gehört, damit Vorbild für die Gründung anderer Personen­vereinigungen ähnlicher Art. Die BAG hat sich während der vergangenen 40 Jahre nie gesehen als eine Vereinigung, die darauf abzielte, für ihre Mitglieder besondere Vorrechte zu erringen, finanzielle Vorteile zu erwirken oder gewerk­schaftliche Ziele zu erreichen.
Sie war vielmehr immer darauf bedacht, sich aus allen direkten gewerk­schaftlichen und partei­politischen Ideen und Strömungen heraus­zuhalten. Es ging und geht auch heute noch darum, der Pädagogik im Straf­vollzug den gebührenden Platz zu verschaffen und den im Straf­vollzug unter­gebrachten Menschen in den Vordergrund zu stellen. Diesem Anliegen wurde zwar im Jugend­gerichts­gesetz durch den dort verankerten Erziehungs­auftrag entsprochen, und es hat auch im Straf­voll­zugs­gesetz seit Januar 1977 durch die Forderung des Behandlungs­vollzuges im Erwachsenen­vollzug eine gesetzliche Grundlage erhalten. Wir alle wissen aber auch, dass die Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages in der Praxis noch weitgehend auf sich warten lässt. Wir sind also noch weit entfernt von unserer Ziel­setzung, und es bedarf dies­bezüglich noch erheblicher Anstrengungen.

In der heutigen Zeit der leeren Kassen und sparsamen Haushalts­führung werden überall Organisations­untersuchungen durch­geführt. Es werden immer neue Arbeits­gruppen eingerichtet, die Aufgaben­kritik üben, Konferenz­systeme erdenken und Organisations­statute erarbeiten. Jede Behörde versucht, sich ein Leitbild - was immer das sein mag - zu geben. Aber wo sind die Arbeits­gruppen, die sich mit Fragen der Behandlung und Erziehung auseinander­setzen oder ganz einfach ausgedrückt, die sich mit dem Gefangenen befassen, der ja eigentlich im Mittelpunkt stehen soll und für den wir letztlich einen gesetzlichen Auftrag haben. Sind wir, die Pädagogen, nicht aufgerufen, darauf mit allem Nachdruck hinzuweisen und den Blick auf das Wesentliche zu richten - auf den Menschen im Vollzug?
Darin liegt m. E. eine Heraus­forderung für die BAG und für jedes einzelne Mitglied, das durch seine Arbeit, seinen Einsatz in der Anstalt die Glaub­würdig­keit diesbezüg­licher Aussagen und Forderungen der BAG bekräftigen würde.

Es ist nicht Aufgabe der BAG, Strategien zu entwickeln, um Arbeits­plätze für Lehrer zu erhalten, sondern es geht darum, deutlich zu machen, und zwar über­zeugend deutlich zu machen, dass der gesetzlich vorgegebene und damit verpflichtende Auftrag der Behandlung und Erziehung nicht ohne Pädagogik, d. h. folglich auch nicht ohne eine entsprechende Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern erfüllt werden kann.