Ein Referat von Herbert Hilkenbach anlässlich der Bundesarbeitstagung 1998 in Ludwigshafen zur Geschichte der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der Lehrerinnen und Lehrer im Justizvollzug e.V. Veröffentlicht in Justizvollzug & Pädagogik, Pfaffenweiler 1999, 2. Aufl. Herbolzheim 2001, S. 17 - 24.

Herbert Hilkenbach
Ltd. Reg. Direktor a.D. und Gründungsmitglied der BAG
Der Vorstand hat mich gebeten, Rückblick zu halten auf die Zeit der Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft und ihre Entwicklung in den letzten 40 Jahren. Das will ich gern in kurzer Form tun, zumal sich meine aktive Tätigkeit im Vollzug von 1957 bis 1997 nahezu deckt mit der Zeit des Bestehens der BAG, deren 1. Vorsitzender ich 24 Jahre von 1970 bis 1994 war.
Nun will ich nicht - und sollte ich wohl auch nicht - Ihnen hier meinen Lebenslauf aufzeigen, aber es könnte ganz nützlich und vielleicht auch interessant sein, in Erinnerung zu rufen bzw. zu erfahren, wie die Situation sich für die Lehrer im Strafvollzug damals darstellte. Zunächst ist festzuhalten, dass zum Gründungszeitpunkt im ganzen Bundesgebiet lediglich 78 Lehrer hauptamtlich im Vollzug tätig waren, und zwar überwiegend im Jugendvollzug. In den Ländern Berlin, Bremen und im Saarland gab es lediglich nur je einen Lehrer, in vielen Anstalten somit auch nur einen bzw. keinen. Vielerorts waren die Lehrer ganz auf sich allein gestellt, hatten keinen Kontakt zu Kollegen in anderen Anstalten, schon gar nicht in anderen Bundesländern und wussten häufig nicht einmal von deren Existenz. Soweit ihnen nicht allgemeinpädagogische und insbesondere administrative Aufgaben übertragen waren, versuchten sie - je nach Neigung und eigenen Interessen - sich ihr Arbeitsgebiet selbst abzustecken und einen Wirkungskreis zu schaffen. Diese Situation wirkte sich im übrigen lange Jahre für die BAG sehr schwierig aus bei der Erstellung eines Berufsbildes für den Lehrer im Strafvollzug und führte immer wieder bei den jährlichen Bundestagungen zu langen und intensiven Diskussionen.
Manche Kollegen hatten sich, um den Reibereien mit anderen Diensten auszuweichen, in eine Nische zurückgezogen, widmeten sich ausschließlich der Gefangenenbücherei oder besannen sich auf ihre Hobbies und zogen sich in den Freizeitbereich zurück. Das entsprach im übrigen durchaus dem in der Dienst- und Vollzugsordnung festgelegten Aufgabenbereich des Lehrers von 1961, die erst am 1. Januar 1977 durch das Strafvollzugsgesetz abgelöst wurde. Dort hieß es nämlich u. a. in der Nr. 27 neben dem Unterrichtsauftrag: „Er (der Lehrer) verwaltet in der Regel die Gefangenenbücherei und wirkt bei der Persönlichkeitsforschung, beim Aufstellen und Durchführen des Vollzugsplanes, bei den Leibesübungen, der Freizeitgestaltung und der Pflege der Musik und des Chorgesanges mit. Außerdem hieß es in Nr. 126 DVollzO, der Unterricht solle in der Regel in der Freizeit erteilt werden.
Auch im Jugendvollzug spielte der Unterricht nur am Rande des Vollzuges eine Rolle. So wurde mir beim Eintritt in den Jugendvollzug 1957 die Betreuung einer Erziehungsgruppe übertragen in der Stärke von 150 Gefangenen, und samstags hatte ich sechs Stunden Unterricht zu erteilen.
Die Teilnahme war im übrigen Pflicht, und es erfolgte keine Aufgliederung nach Alter, Wissensstand oder Schulabschluss. Die Klassenstärke bewegte sich um 40 Gefangene. Der Klassenraum, eine große Gemeinschaftszelle, die zeitweilig auch mit Gefangenen belegt war, wurde jeden Samstag ausgeräumt. Eine Tafel auf drei Beinen wurde hineingestellt. Die Gefangenen rückten mit ihren Hockern aus der Zelle an. Tische gab es nicht. Bei schriftlichen Aufgaben knieten die Gefangenen vor ihren Hockern. Da Kugelschreiber nicht im Besitz von Gefangenen sein durften - sie hätten für Tätowierungen missbraucht werden können -, wurden Bleistifte ausgeteilt, die nach dem Unterricht wieder eingesammelt werden mussten. Das gleiche galt für das Papier. Außer einigen veralteten Landkarten gab es keinerlei Lehr- oder Lernmittel. Eine einwöchige Information durch einen Verwaltungsinspektor, der die Anstalt verließ, über die Organisation der Anstalt und insbesondere über die Aufgaben eines Erziehungsgruppenleiters war die gesamte Einweisung.
So oder ähnlich erging es vielen Lehrern bei ihrer Einstellung. Fortbildungstagungen gab es nur vereinzelt in dem ein oder anderen Bundesland, die aber eher den Charakter von Dienstbesprechungen hatten.
Unter diesen Voraussetzungen wurde bei manchem Lehrer der Wunsch immer stärker, Erfahrungen mit Kollegen austauschen zu können, pädagogische Fragen zu besprechen und Anregungen für die eigene Arbeit zu bekommen. Es bedurfte nur eines besonderen Auslösers und der Initiative eines Einzelnen.
Vom 13.-15. März 1958 fand in Schwäbisch Hall eine Tagung der Vollzugs- und besonderen Vollstreckungsleiter statt, an der auch die Lehrer von Schwäbisch Hall und je ein Lehrer aus Bayern, Hamburg, Hessen und dem Saarland teilnahmen. So ergab sich die Gelegenheit, über die Probleme der Anstaltslehrer zu diskutieren und die Frage des Zusammenschlusses auf Bundesebene zu erörtern. Einstimmig wurde die Notwendigkeit bejaht und Oberlehrer Alfons Besenfelder, Schwäbisch Hall, als Initiator der ersten Tagung beauftragt. Diese Gründungstagung fand am 22. und 23.Oktober 1958 in Butzbach statt, an der 19 Oberlehrer aus sechs Bundesländern (BW, HE, HH, NDS, NRW) teilnahmen.
Nach langer Diskussion über die Bezeichnungen Oberlehrer, Lehrer, Lehrkräfte oder Pädagogen einigte man sich schließlich auf die Namengebung „Arbeitsgemeinschaft der Oberlehrer an Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland e. V.“ Diese Auseinandersetzung wurde übrigens in den nächsten Jahren fortgesetzt und führte im Mai 1971 auf der Tagung in Heilbronn bei der Überarbeitung der Satzung zu der heutigen Bezeichnung „Bundesarbeitsgemeinschaft der Lehrer im Justizvollzug e. V.“
Von den Kollegen, die an der konstituierenden Sitzung teilnahmen bzw. die Satzung unterschrieben sind noch zwei bei uns, nämlich der Kollege Karl Schüler und ich. Damit hatten sich die Lehrer als erster Fachdienst auf Bundesebene zusammengeschlossen.

In späteren Jahren folgten dann die Sozialarbeiter, Anstaltsleiter und Psychologen. Zum 1. Vorsitzenden wurde Kollege Besenfelder gewählt, der diese Funktion zwölf Jahre bis 1970 innehatte. Für jedes Bundesland wurde ein Vertrauensmann bestellt, der Kontakt zum Bundesvorstand halten sollte. Daraus bildete sich später der erweiterte Vorstand, der sich ab 1975 zunächst jährlich, dann in unregelmäßigen Abständen einmal pro Jahr mit dem Vorstand zum Erfahrungsaustausch und zur Vorbereitung der Bundestagungen traf.
Schon auf der Gründungsversammlung wurden einige Punkte festgelegt, die bis heute Bestand haben. So wurde beschlossen, alljährlich eine Arbeitstagung in jeweils einem anderen Bundesland durchzuführen - und zwar in der Woche von Christi Himmelfahrt -, um die einzelnen Lehrer aus ihrer Isolation herauszuholen, sie mit den modernen Bestrebungen des Erziehungs- bzw. Behandlungsvollzuges bekannt und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut zu machen und letztlich um Erfahrungen aus der Praxis auszutauschen. Diese Tagungen wurden in der Regel am Dienstort eines Lehrers ausgerichtet mit der Möglichkeit, die dortige Vollzugsanstalt zu besichtigen. Die Referate wurden zunächst in der eigenen Zeitschrift „Strafvollzug und Pädagogik“ veröffentlicht und ab 1975 in der „Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe“, die in Zusammenarbeit mit der BAG von der Gesellschaft für Fortbildung der Strafvollzugsbediensteten e. V. herausgegeben wird und in deren Schriftleitung wir vertreten sind.
Die Gründung der BAG wurde jedoch nicht überall begrüßt. Einige Ministerien und Verbände waren misstrauisch und befürchteten, dass sich eine neue Interessengemeinschaft gebildet hätte, um berufsständische und Besoldungsforderungen durchzudrücken. Diese abweisende Haltung wurde schon bei der Gründungstagung deutlich, als den Teilnehmern vom zuständigen Ministerium die Genehmigung versagt wurde, die in der Nähe gelegene Jugendstrafanstalt zu besichtigen.
Dagegen äußerte sich der Generalstaatsanwalt desselben Landes in seinem Grußwort auf derselben Tagung sehr positiv. Er wünschte der BAG ein langes und segensreiches Wirken und war erfreut über soviel angetroffenen Idealismus. Er hatte auch keine Bedenken, den Besuch der örtlichen Vollzugsanstalt zu genehmigen.
So unterschiedlich die Meinungen Außenstehender über den Zusammenschluss der Lehrer waren, so verschieden waren auch die Anschauungen und Vorstellungen der einzelnen Lehrer über ihr Berufsbild und ihren Auftrag in den Anstalten. Die unterschiedlichen Auffassungen galt es demnach in den nächsten Jahren zu koordinieren, um in einer Sprache sprechen und nach außen geschlossen auftreten zu können. Nachdem zwölf Jahre auf den Bundestagungen über diese Fragen diskutiert worden war und auch von den Vollzugsabteilungen der einzelnen Länderjustizministerien keine Regelung der Aufgabengebiete zu erwarten war, gelang es schließlich 1971 auf der Bundestagung in Heilbronn erstmals, das Berufsbild des Lehrers im Strafvollzug zu erarbeiten und zu verabschieden. Hierin wurden das Dienstverhältnis und die Aufgabengebiete des Lehrers sowie seine notwendige Ausbildung dargestellt.
Die Jahrestagungen dienten - wie es die Satzung vorsieht - der Fortbildung der Lehrer, und sie befassten sich mit der Entwicklung neuer Formen des Vollzuges, wobei Wissenschaft und Praxis in gleicher Weise ihre Bedeutung fanden. Immer wieder hat sich die BAG mit Fragen der Pädagogik auseinandergesetzt, mit allgemeiner und beruflicher Bildung, mit musischer Bildung und Freizeitgestaltung, mit der Methodik der Erwachsenenbildung, der Mitarbeit der Gefangenen, dem sozialen Lernen und dabei praxisnah und realistisch neben der Erziehung und Behandlung die notwendige Sicherheit nicht außer acht gelassen. Immer konnten namhafte Referenten aus den Kreisen der Universitäten und Hochschulen, der Politik und der Praxis gewonnen werden. Aber auch die Mitarbeit und die Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen waren gefragt und kamen in den Arbeitsgruppen, die seit 1981 modern „Workshops“ genannt wurden, auf zwanzig Tagungen zur Geltung.
Nach und nach wurden die Bundestagungen genutzt, um über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus Einblick in den Vollzug der Nachbarländer zu gewinnen. Schon 1963, während der Tagung in Zweibrücken und Saarbrücken, erfolgte eine Besichtigung der Jugendstrafanstalt Dreiborn in Luxemburg. 1969 in Straubing referierte Dr. Sluga aus Wien über die Gruppenbehandlung im Strafvollzug. 1972 informierte in Lübeck Fleming Skadhauge aus Kopenhagen über Untersuchungen des Unterrichts im dänischen Strafvollzug. 1977 in Vechta teilte er die Erfahrungen mit, die im dänischen Vollzug mit der Mitwirkung und Mitverantwortung Gefangener gemacht waren, und Herr Besier vom niederländischen Justizministerium berichtete über die dortigen Feststellungen. 1983 in Saarlouis hieß das Tagungsthema „Pädagogik im Strafvollzug - international“, und neben den Referaten namhafter Vertreter des Vollzuges aus Frankreich, Luxemburg, Österreich und der Bundesrepublik erfolgte auch der Besuch der Anstalt in Oermingen / Frankreich.
Am längsten und intensivsten und in vielen Fällen auch freundschaftlich besteht jedoch der Kontakt zu Vertretern des österreichischen Strafvollzugs. Schon 1979 nahmen an der Tagung in Bernau der Sektionsleiter im Bundesministerium für Justiz, Wien, Herr Generalanwalt Dr. Mann und Herr Oberschulrat Bober teil und seit vielen Jahren Herr Oberstaatsanwalt Dr. Gödl und weitere Mitarbeiter, die natürlich auch heute anwesend sind, d. h.: 20 Jahre Treue zur BAG und aktive Mitarbeit auf den Jahrestagungen. So bot es sich an, 1993 mit der Tagung unter dem Thema „Bildungsarbeit im Strafvollzug - grenzübergreifend“ der Einladung nach Wels in Österreich zu folgen. Um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden, möchte ich jedoch feststellen, dass diese Ortswahl nicht getroffen wurde auf der Grundlage des Beschlusses in der Gründungsversammlung, jedes Jahr in ein anderes Bundesland zu gehen. Wir hatten dort die Möglichkeit, neben dem eindrucksvollen Besuch der Strafvollzugsanstalt in Stein a. d. Donau durch Referate Einblicke zu erhalten in den österreichischen, ungarischen und slowakischen Strafvollzug. Allen Teilnehmern wird diese Tagung unvergesslich sein.
Ein ganz besonderes Anliegen der BAG war es, Lehrerinnen und Lehrern, die neu in den Anstaltsdienst traten, in ihre Aufgaben einzuführen. Jahrelang versuchte die BAG vergeblich über die Ministerien, eine berufliche und spezifische Einführung der Kolleginnen und Kollegen in das ihnen völlig fremde Aufgabengebiet zu erreichen. Es scheiterte insbesondere daran, dass der Strafvollzug Ländersache und nicht Bundessache war und ist. Keiner war nämlich auf die pädagogischen Besonderheiten und noch weniger auf die oft sehr hemmend wirkende Organisation in den Anstalten und die vorschriftenreiche Verwaltung vorbereitet. Der häufig einzige Lehrer in der Anstalt wurde nach seiner Einstellung bestenfalls einige Wochen in einer anderen Anstalt durch den dortigen Kollegen mit dem Anstaltsleben vertraut gemacht. Dann wurde er auf seinem Arbeitsplatz allein gelassen, den er sich nicht selten noch erst erarbeiten musste.

Im Jahre 1976 gelang es schließlich der BAG, beim Bundeshilfswerk für Straffällige e. V. finanzielle Unterstützung zu erreichen und im Tagungshaus des Vereins, dem Ludwig-Clostermann-Haus in Bonn / Bad Godesberg, einwöchige Grundseminare für diese im Vollzug jungen Lehrkräfte durchzuführen. Diese Einführungslehrgänge wurden fast jedes Jahr abgehalten, nach Veräußerung des Clostermann-Hauses 1989 in der Familienbildungsstätte Oberreifenberg. Die Gestaltung lag in den Händen einiger Mitglieder, namentlich den Kollegen Lang, Bode, Dr. Große-Boes, Bauer, Frau Braukmann und Frau Lange. Das Interesse war sehr groß, und bislang nahmen mehr als 300 junge Kolleginnen und Kollegen daran teil, wodurch die Notwendigkeit dieser Einrichtung eindrucksvoll bestätigt wurde.
Nachdem die Einstellungsquote bedauernswerterweise jedoch sehr gering geworden ist, wäre für die Zukunft evtl. zu überlegen, ob nicht inhaltlich anders konstruierte Seminare der Weiterbildung angeboten und eingerichtet werden können, insbesondere für Kolleginnen und Kollegen, die in ihren Ländern aufgrund der geringen Lehrerzahl keine differenzierte Fortbildung erfahren.
Vor 40 Jahren war die - wie ich meine positive - Entwicklung der BAG nicht vorauszusehen, insbesondere nicht, wenn man an die skeptischen bis ablehnenden Kommentare aus behördlichen und verbandspolitischen Kreisen erinnert. Dazu möchte ich noch einmal aus dem Protokoll über das Grußwort eines Ministerialdirigenten auf der Bundestagung 1960 zitieren: „Insbesondere wies er darauf hin, dass da und dort erhebliche Bedenken existierten, als sich die AG der Oberlehrer konstituierte. Es sei damals befürchtet worden, es wolle sich eine neue Form eines Verbandes bilden, der auf eine Interessengemeinschaft abziele, um berufsständische und Besoldungsforderungen durchzudrücken. An einem solchen Verband habe man kein Interesse gehabt. Darum hoffe er, dass daraus eine echte und wirkliche AG erwachse, dann könne auch mit staatlicher Hilfe gerechnet werden. Darüber würden allerdings noch Jahre ins Land gehen, im Strafvollzug aber lebe man ja von Optimismus.“
Derselbe Referent äußerte sich damals auch über den Zweck des Strafvollzugs mit folgender Aussage: „Die Begriffe »Schuld«, »Sühne«, »Abschreckung« dürfen nicht vom Begriff, »Erziehungsvollzug« überdeckt werden. Sie sind vorrangig.“ So ist es auch nicht verwunderlich, wenn von dem Lehrer in einer Aufnahmeabteilung erwartet wurde, dass er sich Gedanken darüber zu machen habe, wie lange die Isolierung von Mitgefangenen zur Erzielung eines nachhaltigen Strafeindrucks erforderlich sei.
Bei dieser Einstellung und Erwartung vom Vollzug reichte es jedoch nicht, nur Optimist zu sein. Es bedurfte vielmehr sachlicher und fachkompetenter Überzeugungsarbeit sowohl in der und durch die Gemeinschaft als auch durch Vorstand und Mitglieder in der Öffentlichkeit und in anderen Organisationen. So waren bei allen Tagungen die Medien, Justizministerien sowie Vertreter der politischen Parteien aus den Ländern, den Städten und Behörden eingeladen und vertreten. Es wurden Kontakte aufgenommen zu anderen Verbänden der Straffälligenhilfe, z. B. dem Bundeszusammenschluss für Straffälligenhilfe, dem Bundeshilfswerk für Straffällige e. V. und der Deutschen Bewährungshilfe e. V. Durch Mitarbeit in deren Vorständen und verschiedenen Ausschüssen wurde versucht, der Pädagogik im Strafvollzug auch dort Gehör zu verschaffen und Einfluss durch die Verbände zu nehmen. So war der langjährige Schriftleiter Kollege Schüler u. a. Mitglied im Fachausschuss 1 für Strafrecht des BZ, der damalige Vorsitzende war Mitglied in den Ausschüssen Öffentlichkeitsarbeit, Therapeutische Anstalten und im Reformausschuss Strafvollzug.
Unter anderem durch die Veröffentlichung der Protokolle und Referate von den Bundestagungen in der Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe wurden die Tagungen und die BAG selbst immer bekannter und wohl auch attraktiv für immer mehr Kolleginnen und Kollegen. So stieg die Zahl der Mitglieder mit dem Anwachsen der Lehrerplanstellen ständig an. Waren es, wie schon erwähnt, 1958 78 Lehrkräfte im Strafvollzug der Bundesrepublik, von denen 19 an der Gründungsversammlung teilnahmen, so waren es 1978 bei 240 Planstellen schon 196 Mitglieder, und 1994 erreichte die BAG den bisherigen Höchststand von 249 Mitgliedern, davon 10 aus den neuen Bundesländern. Entsprechend entwickelte sich auch die Zahl der Teilnehmer an den Bundesarbeitstagungen, die bis zu 130 anstieg.
Aber auch den behördlichen Stellen blieb das Wirken der BAG nicht verborgen und fand Beachtung bzw. Anerkennung. Die Aussagen der BAG zu Entwicklungen im Strafvollzug waren gefragt. So wurde der damalige Vorsitzende u. a. als Sachverständiger in der Strafvollzugskommission tätig, die einen Entwurf des Strafvollzugsgesetzes erarbeitete.
1976 wurde der Vorsitzende durch den Bundesminister der Justiz als ordentliches Mitglied und einziger Pädagoge in die Jugendstravollzugskommission berufen, die ein Jugendstrafvollzugsgesetz vorbereiten sollte. Der Schlussbericht wurde 1979 vorgelegt. Bedauernswerterweise kam das Gesetzgebungsverfahren bislang über mehrere Referentenentwürfe nicht hinaus.
Schon 1970 erfolgte die Berufung des Vorsitzenden durch den Senat der Pädagogischen Hochschule Rheinland in die Projektgruppe Pädagogik, die sich mit der Erstellung des Berufsbildes des Lehrers im Justizvollzug und der Planung eines gesonderten Studiums befasste.
Die Anerkennung des Wirkens der BAG fand u. a. auch Ausdruck in dem persönlichen Grußwort des Bundesministers der Justiz Dr. Engelhardt aus Anlass der Tagung zum 25. Jahrestag der Gründung der BAG in Saarlouis 1983, in dem er der BAG bescheinigte, sie habe zum Selbstverständnis der Lehrerinnen und Lehrer bei der Reform des Strafvollzuges tatkräftig beigetragen.
Die BAG trat in unregelmäßigen Zeitabständen immer wieder mit besonderen Beiträgen an die Öffentlichkeit, die insbesondere auch den Justizministerien, politischen Institutionen und Universitäten zugingen. Das galt z. B. für das schon erwähnte 1970 erstmals erarbeitete Berufsbild für Lehrer im Justizvollzug. 1978 erschien die vom Gründungsvorsitzenden Alfons Besenfelder verfasste Chronik: „Pädagogik im Strafvollzug —20 Jahre Bundesarbeitsgemeinschaft der Lehrer im Justizvollzug“.
Zum 30jährigen Bestehen gab die BAG ein Sonderheft mit zwanzig auf den Bundestagungen gehaltenen Referaten zur Pädagogik im Strafvollzug heraus. Schließlich erfolgte 1995 die Herausgabe der Schrift „Lehrerinnen und Lehrer im Justizvollzug - Beschreibung eines pädagogischen Arbeitsfeldes“.
Ich habe versucht, Ihnen in einem kurzen Rückblick darzustellen, wie aus der kleinen Zahl von 19 Kollegen, die sich 1958 in Butzbach trafen, um über die Möglichkeit einer bundesweiten Vereinigung der Lehrer im Strafvollzug zu beraten, schließlich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Lehrer im Justizvollzug e. V. entstand mit der - wie ich meine - stattlichen Zahl von heute nahezu 250 Mitgliedern. Die Lehrer waren, wie ich eingangs erwähnte, die ersten Bediensteten einer Fachrichtung, die sich bundesweit zusammengeschlossen haben. Sie waren offenbar, wie sich das für Pädagogen ja auch gehört, damit Vorbild für die Gründung anderer Personenvereinigungen ähnlicher Art. Die BAG hat sich während der vergangenen 40 Jahre nie gesehen als eine Vereinigung, die darauf abzielte, für ihre Mitglieder besondere Vorrechte zu erringen, finanzielle Vorteile zu erwirken oder gewerkschaftliche Ziele zu erreichen.
Sie war vielmehr immer darauf bedacht, sich aus allen direkten gewerkschaftlichen und parteipolitischen Ideen und Strömungen herauszuhalten. Es ging und geht auch heute noch darum, der Pädagogik im Strafvollzug den gebührenden Platz zu verschaffen und den im Strafvollzug untergebrachten Menschen in den Vordergrund zu stellen. Diesem Anliegen wurde zwar im Jugendgerichtsgesetz durch den dort verankerten Erziehungsauftrag entsprochen, und es hat auch im Strafvollzugsgesetz seit Januar 1977 durch die Forderung des Behandlungsvollzuges im Erwachsenenvollzug eine gesetzliche Grundlage erhalten. Wir alle wissen aber auch, dass die Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages in der Praxis noch weitgehend auf sich warten lässt. Wir sind also noch weit entfernt von unserer Zielsetzung, und es bedarf diesbezüglich noch erheblicher Anstrengungen.
In der heutigen Zeit der leeren Kassen und sparsamen Haushaltsführung werden überall Organisationsuntersuchungen durchgeführt. Es werden immer neue Arbeitsgruppen eingerichtet, die Aufgabenkritik üben, Konferenzsysteme erdenken und Organisationsstatute erarbeiten. Jede Behörde versucht, sich ein Leitbild - was immer das sein mag - zu geben. Aber wo sind die Arbeitsgruppen, die sich mit Fragen der Behandlung und Erziehung auseinandersetzen oder ganz einfach ausgedrückt, die sich mit dem Gefangenen befassen, der ja eigentlich im Mittelpunkt stehen soll und für den wir letztlich einen gesetzlichen Auftrag haben. Sind wir, die Pädagogen, nicht aufgerufen, darauf mit allem Nachdruck hinzuweisen und den Blick auf das Wesentliche zu richten - auf den Menschen im Vollzug?
Darin liegt m. E. eine Herausforderung für die BAG und für jedes einzelne Mitglied, das durch seine Arbeit, seinen Einsatz in der Anstalt die Glaubwürdigkeit diesbezüglicher Aussagen und Forderungen der BAG bekräftigen würde.
Es ist nicht Aufgabe der BAG, Strategien zu entwickeln, um Arbeitsplätze für Lehrer zu erhalten, sondern es geht darum, deutlich zu machen, und zwar überzeugend deutlich zu machen, dass der gesetzlich vorgegebene und damit verpflichtende Auftrag der Behandlung und Erziehung nicht ohne Pädagogik, d. h. folglich auch nicht ohne eine entsprechende Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern erfüllt werden kann.